Mittwoch, 12. November 2008

Der Tannenbaum - Projektbericht von Frauke





Mein Projekt „Der Tannenbaum“
in Lützensömmern von 11.11.2000-12.11.2000

1. Zur Konzeption des Projektes

Meine Zielgruppe- meine Arbeitsgruppe

Meine Gruppe besteht in dieser Grundzusammensetzung seit ca. einem Jahr, sämtliche 15 Kinder sind in zwei Kinderheimen nach §34 KJHG und §35a KJHG (seelische Behinderung) untergebracht.
Ein großes Problem im Kinderheim ist der ständige Wechsel der Heimbelegung. Es sind dann meist 50% neue Kinder in der Gruppe, die vom alten Stamm erst anerkannt und integriert werden müssen. Deshalb müssen sich bei sämtlichen neuen Projekten die Kinder neu kennenlernen und die Theatergruppe wird jedesmal neu strukturiert, was besonders durch Kennenlernspiele in der Aufwärmrunde erreicht wird. Die Kinder sind im Alter von 8-18 Jahre mit verschiedenen Auffälligkeiten, Verhaltensstörungen, Milieuschädigungen und Behinderungen. Außerdem arbeitete ich mit 2 Erzieherinnen aus dem Heimbereich zusammen.

Arbeitsort

Unser Projekt lief über 2 Tage, von Samstag zu Sonntag, auf dem Rittergut in Lützensömmern. Dort übernachteten wir, verpflegten uns selbst und arbeiteten in geeigneten Räumen.

Ziel

Erarbeitung eines Theaterstückes nach einer Kurzgeschichte

Vorlage: Das Buch „Lustige Geschichten“ von Wladimir Sutejew
Daraus die Geschichte -Ein Brief an den Weihnachtsmann

Dazu sind verschiedene Vorüberlegungen und Vorbereitungen nötig.

Vorbereitung und Vorüberlegung

- geeignete Unterkunft und Übungsstätte finden (Lützensömmern war mir durch die Ausbildung bekannt)
- Belehrung vorbereiten (Fürsorge- und Aufsichtspflicht)
- Finanzielle und materielle Unterstützung bei der Heimleitung beantragen (Geld, Material, Busse, Bettwäsche, Absprachen wegen Dienstplanung u.a.m.)
- Geeignete Geschichte finden
- Methodische Vorüberlegungen treffen ( Strukturierung des Stückes, Requisiten und Kostüme, Material zur Erarbeitung des Stückes, Vorbereitungen zur Rollenverteilung, Aufgliederung der Arbeitsschritte, Arbeitsablauf, Vorbereitung der Aufwärmrunden) (siehe dazu auch Anhang)
- Kopien von der Geschichte für jedes Kind und Erzieher
- CD-s von Geräuschen, Musik usw., Instrumente

Konzeption der Theatergruppe


Das große Ziel ist die Identifikation des Einzelnem mit dem Ganzen :

Teilziele:
- Körpergefühl entwickeln
- Selbstwertgefühl aufbauen und festigen
- Blickwinkel für Situationen und Probleme schärfen , Näherbringen verschiedener Ansichten
- gemeinsames Erarbeiten von Theaterstücken
- Freude am gemeinsamen Spiel, am Rollenspiel/ Theaterspiel entwickeln und ausbauen
- Hintergründe des Theaters durch gemeinsame Theaterbesuche ergründen und kennenlernen
- Blick hinter die Kulissen
- Gespräche mit Akteuren auf und hinter der Bühne
- Unser Spiel öffentlich wirksam werden lassen


Verlauf: - jede Übungsstunde beginnt mit einem „Warming up“- Programm

Was ist Warming up?

Das ist eine Aufwärmungsphase zum Lockerwerden und Hemmungen verlieren, zum Annähren an Spielpartnerund Kennenlernen(wie kann jemand bestimmte Situationen körperlich und sprachlich ausdrücken ?)

Wie wird es umgesetzt ?

1. Lockerwerden mit kleinen Spielen
2. Aufwärmen mit intensiven Bewegungsübungen
3. Entspannungsübungen ,zu einstellen auf das eigentliche Spiel

- Situationsbedingte Sprachspiele ( „Gremolo“)>zur Phantasieanregung
- Bewegungsabläufe darstellen und übertreiben
- Feste Bilder darstellen (Statuen )
- In kleinen Spielegruppen Texte/ Szenen/ Situationen verschieden darstellen unter anderem mit Hilfen und visuellen Mitteln ( VIDEO )
- Erarbeiten der Theaterstücke durch Einarbeitung aller Ideen und Phantasien, Experimentieren mit verschiedenen Möglichkeiten
- Zum Abschluß der Übungsstunden Reflexion der Befindlichkeiten, Gespräche über Emotionen und Empfindungen im gemeinsamen Spiel, Verabschiedungszeremonien durch kleine Spiele







Ein wesentlicher Bestandteil der Theaterarbeit ist nach Festlegung und Entwicklung der Idee zum Theaterstück die Herstellung der geeigneten Kulissen und Kostüme unter Mitarbeit der Kinder und Jugendlichen
- Förderung der Kreativität ,der Feinmotorik , Umsetzung der Realität in abstrakten Bildern
- Freude an gemeinsamer Arbeit-Teamwork



Langfristige Planungsziele :

- Theaterworkshop in den Frühlingsferien mit allen Mitgliedern der Theatergruppe eventuell mit Kindern und Erziehern der beiden Heimen
- Vorbereitung der Aufführung für das Heimfest
- Gestaltung zum Herbstfest und zum Lehrer-Eltern –Sozialarbeiter-Tag
- Weihnachtsgeschichte mit mehreren Aufführungen z.B. SPFH , Kindergärten ,Rentnerweihnachtsfeiern


Notwendige Hilfen

- 2x monatlich Übungsstunden mit Aufnahme im Funktionsplan mit Absicherung durch Frau Albrecht und Frau Köttner
- Nutzung des Therapieraums zwecks Übungen
- Nutzung des Werkraums zwecks Kulissenbau
- Bereitstellung einer geeigneten Unterstellmöglichkeit für die Requisiten



Theatergruppenleiter: Frau Albrecht und Frau Köttner

Die Geschichte


„Der Tannenbaum“

Als die Kinder heut morgen auf den Kalender sahen, hing da nur noch das letzte Blatt.

Morgen ist Neujahr (Weihnachten). Morgen ist Tannenbaumfeier. Der Baumschmuck wird bald fertig sein, aber noch ist keine Tanne im Haus. Da schrieben die Kinder an den Großvater Frost (Weihnachtsmann) und baten ihn, aus dem Wald einen Tannenbaum zu schicken, natürlich den größten und schönsten.

„Lieber Großvater Frost!
Schenk uns doch bitte einen Tannenbaum zum Neujahresfest. Den Baumschmuck fertigen wir selber an! Den Brief bringt dir unser Schneemann.

Grüße von uns Kindern

So einen Brief schrieben die Kinder und liefen rasch auf den Hof, um einen Schneemann zu machen.

Mit großem Eifer waren alle bei der Sache. Die einen schaufelten den schnee zusammen, die anderen rollten ihn zu Kugeln.
Der Schneemann bekam einen alten Eimer auf den Kopf, zwei Kohlenstückchen als Augen und eine Möhrrübe als Nase.
Fein sah er aus, der Schneemann!

Die Kinder gaben ihm den Brief uns sangen:

Schneemann, Schneemann, hör gut zu,
braver, weißer Schneemann du.
Geh doch in den dunklen Wald,
gib den Brief ab, aber bald.

Großvater Frost bekommt den Brief,
findet einen Baum, im Walde tief.
Schön hoch und dicht, so steht er da,
in seinem grünen Nadelhaar.

Diese Tanne, ganz geschwind,
bring den Kindern wie der Wind.

Der Abend brach an, die Kinder gingen nach Haus. Der Schneemann aber klagte. „Eine schöne Arbeit! Wohin soll nur gehen?“

„Nimm mich doch mit“, sagte plotzlich Bobik, das kleine Hündchen. „Ich helf dir den Weg finden.“

„Stimmt, zu zweit ist`s lustiger,“ freute sich der Schneemann. „Du wirst mich und den Brief bewachen und dir den Weg gut merken.“

Lange, lange gingen der Schneemann und Bobik, endlich kamen sie in den dichten Winterwald...

Ein Hase kam ihnen entgegengesprungen.
„Wo wohnt hier der Großvater Frost?“ fragte ihn der Schneemann. Aber der Hase hatte Zeit zu antworten- ein Fuchs war ihm auf den Fersen.

Da bellte Bobik laut: „Wau, wau!“ und setzte selber hinter dem Hasen her.

Der Schneemann wurde ganz traurig. „So werde ich nun allein weiterwandern müssen.“

Doch da erhob sich ein Sturmwind. Der Schnee wirbelte und toste nur so um den armen Schneemann.
Er zitterte, bebte, und zerfiel zu Schnee. Auf dem weißen Boden blieben nur der Brief, der Eimer und die Rübe liegen.

Kam der Fuchs ganz böse zurück.
„Wer hat mich gestört, den Hasen zu erwischen ?“ Er schaute sich um, aber weit und breit war niemand zu sehen. Nur ein Brief lag im Schnee. Der Fuchs nahm den Brief in die Schnauze und trabte davon.

Nun kam auch Bobik an.
„Wo ist der Schneemann?“
Aber kein Schneemann war da.
Inzwischen kam ein Wolf dem Fuchs übern Weg.
„Was trägst du da im Maul, Gevatter?“ brüllte der Wolf. „Komm teilen wir`s“
„Ich teile nicht, nein! Brauch`s selber, es ist mein“, antwortete der Fuchs und stob davon.
Der Wolf hinter ihm her.

Eine neugierige Elster flog ihnen nach.

Und da stand nun Bobik und weinte bitterlich. Ein paar Hasen sagten zu ihm:
„Das geschieht dir ganz recht, wozu jagst du uns hinterher und erschrickst uns!“

„Ich wird euch nicht mehr erschrecken, wird nie mehr hinter euch herjagen,“ schluchzte Bobik noch lauter.

„Weine nicht, wir helfen dir“, sprachen die Hasen.
„Und wir helfen den Hasen,“ stimmten die Eichhörnchen bei.

Nun machten sich die Hasen daran, einen Schneemann zu bauen, und die Eichhörnchen halfen eifrig. Mit ihren Pfötchen klopften sie den Schnee fest, mit ihren Schwänzen fegten sie ihn glatt.
Als Mütze bekam der Schneemann den Eimer wieder aufgestülpt, die Augen machten sie aus Kohle, und die Mohrrübe stellte die Nase dar.
„Danke schön“, sagte der Schneemann, „dass ihr mich wieder lebendig gemacht habt. Jetzt müsst ihr mir helfen, den Großvater Frost zu finden.“

Sie führten ihn zum Bären. Der schlief fest in seiner Höhle. Sie bekamen ihn nur mit Mühe wach.
Und der Schneemann erzählte dem Bären, dass ihn die Kinder mit einem Brief zum Großvater geschickt haben.
„Mit einem Brief?“ brummte der Bär, „Wo ist er denn?“
Da griffen sie sich an den Kopf- der Brief war nicht da!
Ohne Brief gibt euch Großvater Frost keine Tanne, erklärte der Bär . Dann geht schon lieber nach Hause, ich wird euch durch den Wald begleiten. Da plötzlich hast du nicht gesehen kam die Elster angeflogen und schnatterte: „Hier ist der Brief ! Hier ist der Brief!“ Sie erzählte wie sie zu denn Brief gekommen war.

Das hat sich so zugetragen.
(Bildgeschichte- Fuchs und Wolf haben sich um den Brief gestritten, und dabei den Brief verloren und wenn zwei sich streiten , freut sich der Dritte, so ist die Elster zu dem Brief gekommen )

Nun nachten sich alle mit denn Brief auf denn Weg zum Großvater Frost .

Aufgeregt eilte der Schneemann voran . Mal kullerte er einen Graben ober stolperte über Baumstumpf.

Gut , daß der Bär ihn immer heraushalf , sonst wäre er sicher wieder zerfallen.

Endlich kamen sie zum Großvater Frost .

Der las den Brief und sagte:
„Warum denn so spät, Schneemann?
Du kannst die Tanne denn Kindern nicht mehr rechtzeitig zu Neujahr bringen.“

Doch alle setzten sich wie ein Mann für den Schneemann ein. Sie erzählte, was sich mit dem Schneemann alles zugetragen hatte. Da lieh ihm der Großvater Frost seinen Schlitten, und der Schneemann fuhr im Galopp mit der Tanne zu den Kindern.

Der Bär tappte in seine Höhle zurück, er wollte bis zum Frühling weiterschlafen.

Am nächsten Morgen stand der Schneemann an seinem alten Platz im Hof, nur hielt er statt des Briefes einen schönen großen Tannenbaum.

Ablauf und Umsetzung

Anhand des Ablaufplanes (siehe Anhang) hatte ich meine Vorüberlegungen getroffen.

Zu Beginn jeder Einheit mussten die Kinder und Betreuer warm werden. Dies gelang mit extra ausgesuchten Spielen. Die erste Einheit begann mit Kennenlernspielen, da sich die meisten untereinander nicht kannten und große Hemmungen bestanden. Jedes Kind stellte sich vor, die Namen wurden genannt und mit Hilfe von Kreisspielen, Ballspielen und Fangspielen wurden die Namen verinnerlicht.
Nun wurden die vorbereiteten Geschichten (aus dem Buch kopiert) ausgeteilt und gemeinsam vorgelesen. Danach konnte jedes Kind anhand der Rollenverteilung eigene Vorschläge oder Wünsche für eine Rolle abgeben. Hier pädagogische Einflußnahme sehr wichtig, da sich die meisten Kinder sehr über- oder auch unterschätzten. Am Ende hatte jedes Kind eine Rolle , da es aber mehr Kinder wie Rollen im Stück gab ,wurden einfach noch Rollen wie mehr Tiere, Sturm oder Kinder geschaffen, weil einige Kinder ständig beschäftigt werden mußten , bekamen diese 2 Rollen Kind /Hase.

In der 2.Einheit besprachen wir die Rollen, jedes Kind äußerte seine Ideen. Das wurde gesammelt und mitgeschrieben, um es später ins Spiel einzubauen. Nach einer kurzen Pause ging es gleich mit der 3.Einheit weiter. Jetzt wurden die Kulissen aufgebaut, die wir schon im Vorfeld vorbereitet. Der Hintergrund bestand aus 3 langen Stangen, wobei die horizontale Stange an den 2 vertikalen mit Schloßschrauben und Flügelmuttern befestigt werden. Auf die horizontale Stange wurden beide Bühnenbilder Haus/ Wald aufgeschoben. Je nach Szene wurde dann das Haus oder der Wald breitgeschoben und das andere zusammengezogen. Das Kalenderblatt umfasste nur 2 Seiten mit einer großen 23 und 24 ,die je nach Tag( Szene) verändert wurden. Wichtig für das Stück war auch schon der geschmückte Weihnachtsbaum.
Nun wurden die Kinder in 3 Kleingruppen aufgeteilt,(siehe Ablaufplan) jede Gruppe erhielt 3 vorbereitete Szenenblätter, siehe Anhang. Dabei achtete ich besonders darauf, dass die Kinder der jeweiligen Szenen ,auch in den Gruppen waren. Schwierig war es beim Schneemann und Hund , da die das gesamte Stück durchliefen.

Nach dem Abendbrot ging es dann an die 4.Einheit. Jetzt wurden die Kostüme probiert. Danach werteten wir die Arbeit der Kleingruppen aus und kamen zum Spiel. Langsam wurde Szene an Szene gereiht und auftretende Schwierigkeiten sofort behoben oder geändert. Damit war dann die Arbeit am Stück für den Abend beendet, denn die Kleinsten mußten ins Bett. Mit den größeren Kindern arbeiteten wir dann noch an den Kostümen und den Requisiten. Für ein Programmheft reichte die Zeit nicht aus.

Am anderen Morgen begannen wir schon sehr zeitig mit einem Warming up. Hier sollten nun die Kinder typische Bewegungen erarbeiten und durchhalten. Danach knüpften wir an den Vortag an und spielten das Stück komplett durch.

Bis zum Mittag spielten wir das Stück noch 3mal und korrigierten geringfügig. Zum Mittag war alles geschafft und im Heim benötigten wir noch 2 Proben bis zur 1.Vorstellung.


Auswertung

Zuerst möchte ich anmerken, dass uns die Arbeit am Stück, mit den Kindern und in der Atmosphäre des Rittergutes sehr viel Spaß gemacht hat

Ich arbeitete zu dem Zeitpunkt schon 11 Jahre mit Heimkindern und hatte vorher nur in der Heimatmosphäre geprobt . Hier war es sehr schwierig, die Kinder aus ihrem Heimalltag zu reißen und vernünftig an einem Stück zu arbeiten. Ständig wurden Kinder und Erzieher gleichermaßen von der Arbeit weggerissen. Dies war jetzt endlich nicht der Fall. Wir waren am Rittergut und konnten uns voll und ganz auf die Arbeit am Stück gemeinsam mit den Kindern konzentrieren. Auch die Kinder verloren sehr schnell ihre Hemmungen und freuten sich am Ergebnis.

Probleme hatte ich schon in der Vorbereitungsphase. Einmal konnte das Projekt lange nicht finanziell und personell abgesichert werden, wo viele klärenden Gespräche und Vorschläge nötig waren. Anderseits traf ich auch bei den Kollegen nicht immer auf Zustimmung und so wurden einige Kinder nicht mit zum Proben gelassen.

Die Krankheit einer Akteurin zwang mich, die Rolle des Erzählers ersatzlos zu streichen, da sie aber schon nicht mit in Lützensömmern war, war das nicht weiter schwierig.

Besonders hoch war der Anspruch, „wenn man uns schon ein Wochenende fahren liese, muß das Stück dann auch stehen“.
Dies gelang nur mit dem disziplinierten Arbeiten aller. An den Belehrungsbögen kann man auch unschwer erkennen, welche Anforderungen noch bestanden.
Jedoch die Auffälligkeiten, mit denen wir im Heimalltag zu kämpfen hatten, traten während dieses Wochenende nicht auf.

Neben der Arbeit am Stück verpflegten wir uns selbst, da die finanziellen Mittel nicht für Unterbringung und Verpflegung reichten.

Trotz aller Schwierigkeiten gelang es uns,ein schönes Stück auf die Beine zu stellen. Mit diesem waren wir dann bei verschiedenen Weihnachtsfeiern eingeladen und ernteten sehr viel Beifall und Anerkennung.

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